Überspannungskategorien in Stromversorgungssystemen

Stromflussdiagramm
Die Betriebsumgebung für netzbetriebene elektrische Geräte ist je nach Überspannungsschutz in vier Überspannungskategorien (OVC) unterteilt. In diesem Artikel wird beschrieben, wie sich diese vier Kategorien unterscheiden und wie die für den OVC-II-Bereich zugelassenen AC/DC-Netzteile unter bestimmten Umständen im OVC-III-Bereich verwendet werden können.

Die meisten Benutzer netzbetriebener Geräte gehen davon aus, dass sie ihr Gerät einfach an eine Steckdose anschließen können und dass dies ordnungsgemäß, sicher und zuverlässig funktioniert. Strenge und verbindliche internationale Normen für Netzteile unterstützen diesen Gedanken. Sogar ein modulares Produkt, das in ein anderes Gerät eingebettet ist, muss ein Mindestmaß an elektrischer Sicherheitsisolation und elektromagnetischer Verträglichkeit erfüllen, einschließlich der Störfestigkeit gegen Spannungsspitzen und Transienten.

Tatsache ist, dass überall im Haus, im Büro oder in der Fabrik, wo Netzstrom aus Steckdosen kommt, eine Umgebung geschaffen wird, in der der Netzstrom relativ „sauber“ ist - ohne übermäßige Spannungsspitzen, die das Endgerät beschädigen könnten. Wenn jedoch schrittweise über die Infrastrukturverkabelung zu einem Verteiler und dann weiter zum Wechselstrom-Versorgungsanschluss eines Gebäudes zurückgekehrt wird, können Überspannungen durch externe Ereignisse wie Blitzeinschläge und Lastabfälle von anderen Installationen im Versorgungsnetz auftreten, die offensichtliche Risiken darstellen.

OVCs in der Umgebung

RECOM OVC gemäß IEC 60664-1:2020
Tabelle 1: OVC gemäß IEC 60664-1:2020
Bei einigen Anwendungen sind einphasige oder mehrphasige AC/DC-Netzteile fest mit zentralen Verteilertafeln verbunden, z. B. bei Ladegeräten für Elektrofahrzeuge oder Netzteilen für die DIN-Schienenmontage. An diesen Stellen erfordern die Spannungswandler aufgrund der stärkeren transienten Amplituden und Energieniveaus einen zusätzlichen Überspannungsschutz im Vergleich zu dem, der bei Versorgung über eine Steckdose erforderlich ist.

Die internationale Norm IEC 60664-1, d.h. „Isolationskoordination für Geräte in Niederspannungssystemen“, definiert vier Installationskategorien mit den Bezeichnungen OVC I bis OVC IV gemäß Tabelle 1.

OVC I betrifft mit Strom versorgte Geräte, die einer gut geschützten, isolierten Versorgung nachgeschaltet sind, z. B. einen Computer, der von einem Laptop-Ladegerät mit Gleichstrom versorgt wird, während OVC IV für Geräte eines Energieversorgers gilt, die direkt an die eingehende Versorgung angeschlossen sind (Abbildung 1).

RECOM Schematische Darstellung der Umgebungen OVC IV bis OVC I
Abb. 1: Schematische Darstellung der Umgebungen OVC IV bis OVC I

Ein Großteil der netzbetriebenen Geräte in Gebäuden fällt in die Kategorien OVC II und OVC III. Im Allgemeinen umfasst OVC II alle Haushalts-, Werkstatt- und Bürogeräte mit Netzstecker, die einzeln durch eine Sicherung oder einen Leistungsschalter geschützt sind. OVC III umfasst hauptsächlich festverdrahtete Geräte in einem Schaltschrank oder Verteiler wie Relais, Leistungsschalter und fest installierte Netzteile.

Spezifisch für den Blitzschutz definiert die Norm IEC 62305-1 die ‘Zonen’ LPZ 0 bis LPZ 3, die den OVC-Bereichen IV bis I entsprechen. Die Norm IEC 61643-11 für Überspannungsschutzgeräte (SPDs) knüpft mit den Schutzvorrichtungsklassen I, II und III entsprechend zu LPZ 0, 1 und 2 ebenfalls an diese Definitionen an.

RECOM IEC 60664-1 OVC-Äquivalenz zu IEC 62305-1-Zonen und IEC 61643-11-Schutzgeräteklassen
Abb. 2: IEC 60664-1 OVC-Äquivalenz zu IEC 62305-1-Zonen und IEC 61643-11-Schutzgeräteklassen
Die Norm IEC 61643-11 definiert auch die verschiedenen nötigen Testwellenformen, um die Wirksamkeit der Unterdrückungsvorrichtungen nachzuweisen, d.h. einen 10/350µs-Übergang, der sich aus einem direkten Blitzschlag ergeben würde und eine kombinierte Charakteristik 8/20µs + 1,.2/50µs, die aus einem indirekten (induzierten) Blitzschlag oder aus einem atmosphärischen Blitzschlag resultieren würde.

Zum Schutz vor solchen unterschiedlichen Spannungsspitzenereignissen ist ein mehrstufiges Unterdrückungssystem erforderlich (Abbildung 2).

In diesen Installationscodes ist im Allgemeinen auch eine Lebensende-Anzeige (akustisch oder optisch) erforderlich, um den Benutzer zu informieren, falls die SPDs durch hohe Energie oder wiederholte Blitzeinschläge beeinträchtigt wurden.

OVC-Unterschiede

RECOM Nennimpulsspannungen für verschiedene Systemspannungen und OVCs
Tabelle 2: Nennimpulsspannungen für verschiedene Systemspannungen und OVCs
Geräte in verschiedenen OVCs müssen unterschiedlichen Impulsspannungen standhalten, die den erwarteten Transienten im Niederspannungsverteilungsnetz entsprechen. IEC 60664-1 enthält diesbezüglich folgende Informationen (Tabelle 2).

Es ist zu beachten, dass die Werte in Tabelle 2 die maximalen Impulsspannungen von 1,2/50µs für die Basisisolierung sind. Für doppelte oder verstärkte Isolierung wird die nächsthöhere Spannungskategorie verwendet. Beispielsweise erfordert 300Veff OVC II für die verstärkte Isolation eine Einstufung für 4000V Impulsspannung.

Bei der Prüfung der Konformität muss jedoch auch die Höhenlage berücksichtigt werden. Die in Tabelle 2 angegebenen Impulsprüfspannungswerte gelten für 2000m, für niedrigere Höhenlagen steigen die Werte jedoch an. Auf Meereshöhe steigt somit die Nennspannung von 4000V auf 4923V an. Tabelle F.5 der IEC 60664-1 zeigt die diesbezüglichen Korrekturfaktoren. Andererseits erhöhen sich die erforderlichen Mindestabstände in höheren Lagen. Beispielsweise beträgt der Höhenkorrekturfaktor für Abstände auf 2000m 1,00, steigt jedoch auf 5000m auf 1,48. Tabelle F.1 der IEC 62109-1 zeigt die diesbezüglichen Korrekturfaktoren.

OVC III-Netzteile erfordern erweiterte Sicherheitsbarrieren

Netzteile für OVC III Bereiche benötigen verbesserte Spezifikationen für Spannungsfestigkeiten und Abstände gegenüber den gängigeren Typen mit Einstufung für OVC II. Diese können mit einem vorgeschalteten Transformator erfüllt werden, um Transienten auf die OVC II Werte zu senken. Das ist jedoch häufig eine unhandliche und teure Lösung. Besser ist eine Konstruktion des Netzteils derart, dass es in einer OVC-III-Umgebung direkt an das Stromnetz angeschlossen werden kann.

Eine Auswirkung auf die Konstruktion der AC/DC-Stromversorgung ist, dass Abstände zwischen Leitung und zugänglichen Teilen erheblich vergrößert werden müssen. Ein AC/DC-Produkt mit Basisisolierung für die Verwendung in einer OVC-II-Umgebung erfordert einen Mindestabstand von 3,0mm für Isolationsbarrieren mit einer Nennspannung von 4kV, doch in einer OVC-III-Umgebung erhöht sich die Impulsspannung auf 6kV und erfordert 5,5mm Mindestabstand (Tabellen F1 und F2 in der Norm IEC 60664-1). Die meisten AC/DC-Wandler haben jedoch verstärkte Isolationsbarrieren. Die Norm verlangt, dass “der Wert entsprechend der nächsthöheren Impulsspannung” verwendet wird. Das bedeutet, dass ein verstärkter Trennwandler für OQVC-II-/OVC-III-Installationen entsprechend Abstände von 5,5mm/8,0mm benötigt.

IEC 60664-1 und IEC 61558-1 spezifizieren auch Spannungen für die Spannungsfestigkeitsprüfung bei 50/60Hz, die so hoch wie der Impulsprüfwert sein können. IEC 61558-1 erfordert zum Beispiel eine dielektrische Prüfspannung von 4200Veff = 5938Vpk für 300Veff Arbeitsspannung und OVC III/verstärkte Isolierung ohne Angabe der Höhenlage (Tabelle 14 in der Norm IEC 61558-1). Dies ist ähnlich zum Impulsprüfwert gemäß IEC 60664-1, der 6kV bei 2000m Höhenlage beträgt. Ein Test betrifft jedoch die Spannungsfestigkeit für 60 Sekunden und der andere eine kurzzeitige transiente Impulsspannung.

Der am besten geeignete Sicherheitsstandard für einen Spannungswandler hängt von der tatsächlichen Anwendung ab. Produkte für die Verwendung in einer OVC-III-Umgebung werden häufig von der Norm IEC 61558-1 zum Thema „Sicherheit von Transformatoren, Reaktoren, Netzteilen und Kombinationen davon“ am besten abgedeckt. In dieser Norm bezieht sich Anhang R auf die Pegel von IEC 60664-1 für die Impulsprüfspannungen. Glücklicherweise sind die Anforderungen für Sicherheitsabstände in IEC 61558-1 identisch zu denen in IEC 60664-1. Beide Normen verwenden dieselben Höhenkorrekturfaktoren oberhalb von 2000m.

Anwender können wahlweise auch die Norm IEC 62477-1 über „Sicherheitsanforderungen für leistungselektronische Wandlersysteme und –ausrüstung“ für ihre Produkte in OVC-III-Bereichen anwenden. Diese Norm bezieht sich auch auf die Impulswerte, Kriechstrecken/Abstände, dielektrischen Prüfspannungen und Höhenkorrekturfaktoren gemäß IEC 60664-1.

Die Norm IEC 61010-1 über „Sicherheitsbestimmungen für elektrische Mess-, Steuer-, Regel- und Laborgeräte“ ist am besten für Mess- und Prüftechnik in OVC-III-Bereichen geeignet. Diese Norm spezifiziert einen Sicherheitsabstand von 6mm für 300VAC verstärkte Isolation (Tabelle K.3 in der Norm IEC 61010-1) im Vergleich zu 8mm in der Norm IEC 60664-1. Die Höhenkorrekturfaktoren sind gleich. Die anderen Prüfanforderungen in der IEC-Norm 61010-1 sind jedoch etwas strenger. Beispielsweise beträgt die Impulsprüfspannung in einer OVC-III-Umgebung mit 300Veff für eine verstärkte feste Isolierung 6400V (Tabelle K.6 in der Norm IEC 61010-1) im Gegensatz zur Norm IEC 60664-1, die eine Impulsprüfspannung von 6000V spezifiziert.

Die allgemeine Sicherheitsnorm IEC/EN/UL 62368-1 über „Sicherheitsanforderungen für Audio-/Video-, Informations- und Kommunikationstechnik“ verweist auf die Norm IEC 60664-1 für die Anforderungen für OVC-III- und OVC-IV-Umgebungen. Die veraltete Norm IEC 60950-1 erforderte 6mm Abstand für 300Veff in OVC-III-Bereichen (Tabelle 2H der Norm IEC 60950-1), wie in der Norm IEC 61010-1 angegeben, aktuell entspricht jedoch die Ersatznorm IEC 62368-1 der Norm IEC 60664-1 und erhöht die Abstandsanforderung auf 8mm.

Medizinisch zugelassene AC/DC-Wandler können die Einhaltung der OVC-III-Anforderungen ermöglichen

AC/DC-Wandler RAC05-K/480 von RECOM zur Nutzung in einer OVC-III-Umgebung
Abb. 3: AC/DC-Wandler RAC05-K/480 von RECOM zur Nutzung in einer OVC-III-Umgebung
Es gibt Netzteile mit OVC-III-Einstufung, wie die RECOM-Wandler RAC05-K/480 für Platinenmontage (Abbildung 3) mit einem Eingangsspannungsbereich von 85-528VAC, sodass sie für einphasige Netzteile und dreiphasige Verbindungen mit 400/480VAC Spannung Phase-zu-Phase oder Phase-zu-Neutral geeignet sind. Diese Baureihe mit 5W Ausgangsleistung und 4kVAC verstärkter Isolation ist ein Netzteil der Klasse II (ohne Erdungsanschluss) und erfüllt die industriellen Sicherheits- und EMV-Anforderungen ohne externe Bauelemente.

Die Baureihe RAC05-K/480 bietet 5, 12 oder 15V DC-Ausgänge und ist ideal für Geräte in einer rauen Industrieumgebung mit OVC III wie etwa Smart-Meter, erneuerbare Energien oder IoT-Anwendungen.

Eine weitere Möglichkeit für OVC-III-Anwendungen ist die Nutzung der Teile mit medizinischer Sicherheitseinstufung. Die Netzteile, welche die Anforderungen für 2 x Maßnahmen des Patientenschutzes (MoPP) in Systemen mit 240VAC erfüllen, erfüllen ebenfalls die Anforderungen an die Spannungsfestigkeit sowie für Kriechstrecken/Abstände gemäß OVC III, nämlich 4kVeff und 8mm.

Netzteile in medizinischer Qualität entsprechen den Maßgaben von OVC II für eine Störfestigkeit gegenüber schnellen Transienten durch Einhaltung der Norm IEC 61000-4-4 Stufe 3, +/-2kV Spitze, obwohl sie möglicherweise die Spannungsfestigkeitsprüfung bei 50/60Hz 4kVeff bestehen würden. Um die Transienten-Störfestigkeit auf das Maß von OVC III zu erhöhen, ist jedoch ein externer Überspannungsschutz erforderlich. Typisch ein Metalloxid-Varistor, der über der Versorgung mit einer entsprechend bemessenen vorgeschalteten Sicherung oder Vorrichtung zur Strombegrenzung installiert ist, um den nötigen Schutz zu bieten, falls der Stromkreis kurzgeschlossen wird.

Geeignete medizinisch zertifizierte AC/DC-Netzteile von RECOM gibt es in den Baureihen RACM40-K, RACM60-K, RACM230-G und RACM550-G für Platinenmontage und Gehäusemontage (Abbildung 4).

Eine Auswahl medizinisch zertifizierter AC/DC-Netzteile von RECOM
Abb. 4: Eine Auswahl medizinisch zertifizierter AC/DC-Netzteile von RECOM

Medizinisch zugelassene Netzteile müssen eine doppelte Sicherung am AC-Eingang haben, wenn sie in „steckbaren“ Anwendungen einsetzbar sind. Andere Normen für Industrie-, Büro- oder Wohnumgebungen können dies ausdrücklich untersagen.

Bei der Auswahl eines medizinischen Netzteils aufgrund seiner Kompatibilität mit den OVC-III-Anforderungen, das jedoch auch für andere Anwendungen wie Industriesteuerung vorgesehen ist, muss die Nullleiter-Sicherung möglicherweise durch einen viel höheren Wert ersetzt werden, damit die Netzsicherung immer zuerst auslöst. Medizinisch zertifizierte Netzteile, die für eine dauerhafte Verkabelung vorgesehen sind, können ohnehin nur eine einzige stromführende Sicherung haben.

Kundenspezifische Versionen dieser Produkte für den Einsatz in nichtmedizinischen Anwendungen in einer OVC-III-Umgebung mit fester Installation sind auf Anfrage erhältlich.

Es gibt möglicherweise einfache Lösungen für Netzteile in OVC-III-Umgebungen

Früher war es möglicherweise schwierig, kostengünstige AC/DC-Netzteile zu finden, die für die Installation in OVC-III-Umgebungen ausgelegt sind, doch heutzutage sind sie bei Herstellern wie RECOM zunehmend erhältlich. Eine Diskussion mit den technischen Support-Teams der Hersteller kann zeigen, dass Produkte mit medizinischer Zertifizierung mit einfachen Änderungen auch die OVC-III-Anforderungen erfüllen können, da sie bereits den weniger strengen Sicherheitsanforderungen für die Industrie entsprechen.
Anwendungen
  Serie
1 AC/DC, 5.0 W, Single Output, THT RAC05-K/480 Series
Fokus
  • Ultra-wide input range 85-528VAC
  • OVC III input rating without additional fuses
  • Operating temperature range: -40°C to +80°C
  • Overvoltage and overcurrent protected
2 AC/DC, 230.0 W, Single Output, Connector RACM230-G Series
Fokus
  • 160W baseplate-cooled, fan-less operation
  • 230W peak power or forced air rating
  • Universal AC input range (80~264Vac)
  • Standby power consumption <0.5W
3 AC/DC, Single Output RACM40-K Series
Fokus
  • 1.6“x3“, open card units; optional 2“x3“
  • 1.8“x3.2“, encapsulated modules
  • 40W power from -40°C up to +65°C ambient
  • Operating temp. up to +85°C with derating
4 AC/DC, 550.0 W, Single Output, Connector/Screw Terminal RACM550-G Series
Fokus
  • 300W baseplate-cooled, fan-less operation
  • 550W peak power or forced air rating
  • Universal AC input range (80~264VAC)
  • Standby power consumption <0.5W
5 AC/DC, Single Output RACM60-K Series
Fokus
  • Input Range: 80-264VAC or 80-305VAC
  • Temperature rang: -40 to +85°C with derating
  • Over voltage category OVC III
  • 2MOPP medical certified B and BF compliant